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Vision und Beschwörung: die Malerei
des Michael Binder
(Text von Susanne Kurman-Lutz, aus dem Ausstellungskatalog
1977, Galerie Lutz)
Am 1. 9. 1937 wurde Michael Binder in Berlin
geboren, doch da er in Süddeutschland aufwuchs sind seine
Stimme und Sprache von den heiteren Lauten der südbadischen
Landschaft sanft geprägt. Seine Familie erschloß
ihm schon früh die Bildende Kunst, die Musik und die
Literatur: sein Vater war nicht nur Architekt, sondern auch
Maler und Archäologe; die Mutter schreibt über Kunst;
der Großonkel war ein bedeutender Museumsdirektor.
Nach dem Abitur studierte Binder ab 1959 Malerei bei den Professoren
Meyboden und Arnold an der Akademie Karlsruhe in Freiburg;
außerdem studierte er Germanistik und Anglistik. Ab
1961 mußte er für eine junge Familie sorgen, und
um seine materielle Existenz zu sichern, absolvierte er noch
die Pädagogische Hochschule und wurde Real-Lehrer.Seit
1969 lebt er in Dietersheim bei München.
Die Anfangsjahre ließen kaum Zeit, um sich um einen
Kunstbetrieb zu kümmern, der Binder wenig liegt. Zwar
beteiligte er sich an einigen Gruppenausstellungen, doch erst
1974 trat er zum ersten Mal vor die Öffentlichkeit mit
einer Einzelausstellung in der Galerie Gunzenhauser, München.
Die Kritikerin Doris Schmidt schrieb damals in der ,,Süddeutschen
Zeitung": er "malt mit einem erstaunlich sicheren
Blick für Raum und Reduktionsmöglichkeiten von Bildelementen.
Wirklichkeit ist für Binder Anlaß; er setzt das
Geschehene um in lyrische Paraphrasen, gewinnt aus Landschaft
und Figur eine jeweils dem Thema angemessene Bildstruktur."
Allerdings meinte sie auch, ,,solche Bilder zielen auf Vergegenwärtigung
von Erinnerung". Wenn man das bis heute vorliegende Werk
Binders betrachtet - und es fällt dabei auf, daß
ihn seit der Ausstellung 1974 ein stetig zunehmender Arbeitsdrang
besessen hat -, so muß man eher sagen, daß jedes
seiner Bilder eine in sich abgeschlossene Wirklichkeit ist.
Sicher evozieren sie im Betrachter auch subjektive Erinnerungen,
wie jedes Bild, ohne Zweifel sind sie lyrisch, doch von einem
lyrischen Realismus, der nicht ohne Härte ist.
Stilistisch ahnt man noch die Verwandschaft zum Expressionismus,
doch die Distanz ist groß. Auch das Vorbild Morandis
ist nicht zu leugnen, besonders in den kreidigen Farben, die
Binder oft bevorzugt, doch bei Binder scheint die Farbe weniger
der Sichtbarmachung dominierender Bildelemente, sondern mehr
der Verhüllung und Verschmelzung zu dienen. Der Mensch
und die ihn umgebende Natur, der er zugehörig ist, werden
verschmolzen, Ziele werden verschleiert, so wie in "Frau-Wasser-Insel"
die Figur der Frau eins mit der sie umgebenden Atmosphäre
wird und die Insel als mystisch verhülltes Paradies lockt.
Schon im Jahr 1965 begegnen wir den Themen,
die Binder bis heute bewegen. In der ,,Badehütte"
verschmelzen Atmosphäre und menschengeschaffene Form
zu einem einzigen zart-blauen Leuchten,
wobei die feste Form der Badehütte und das bewegte Meer
den gleichen Stellenwert haben. Auch im "Frühstück
am Meer" aus der gleichen Zeit gibt es keine hierarchische
Ordnung: die Hütte im Vordergrund, die Frühstückenden
an einem Tisch, Meer und Himmel sind farblich einheitlich
gehalten, und die verschiedenen Elemente - Land, Wasser und
Luft -sind nur durch horizontale Striche getrennt. Zwischen
1965 und 1970 entstehen nur wenige Bilder. Für Michael
Binder war es eine schwere Zeit, die seine Schaffenskraft
teilweise lähmte, in der er aber auch eine innere Weiterentwicklung
durchmachte.
1970 entsteht "Der große Taucher". Das quadratische
und große Bild - es mißt 123x123 cm - ist auf
zwei Farben reduziert, Blau und Weiß, mit denen Binder
in subtilen Variationen ihrer Tonwerte alles Wesentliche suggeriert.
Der Körper des Tauchers besteht aus den durch die Lichtbrechungen
im Wasser verzerrt gesehenen, sich rudernd bewegenden Beinen,
die in einen schlanken Unterkörper übergehen. Der
Oberkörper und der Kopf der Figur sind nicht mehr sichtbar;
sie befinden sich außerhalb des Wassers. Nur die ringförmigen
Wellen, die der Taucher beim Durchstoßen der Wasseroberfläche
verursacht, bezeugen seine ganze Anwesenheit und Aktivität.
Etliche Hände und Füße deuten das Vorhandensein
anderer Schwimmer an. Die Form des Tauchers ist von gleicher
Aussagekraft und Originalität wie die des "Taucher
mit Spiegelung" von Willi Baumeister (1935, Grohmann
Nr. 393). Binder hat schon in diesem frühen Werk Farbe
und Form erfolgreich auf das Wesentliche reduziert.
Das Thema der menschlichen Figur beschäftigt
Binder ständig. 1965 malt er einen "Großen
liegenden Akt", der sehr plastisch aufgefaßt in
einem durch Punkte und Streifen strukturierten Innenraum gezeigt
ist. Das Bild ist dekorativ, doch der Einklang der Bildelemente
ist nicht erreicht. 1973 nimmt er das Thema wieder auf, und
diesmal gelingt die Arbeit. Es ist ein fast monochromer ,,Schlafender
Akt", eine in Weiß, Grau und hellem Greige am untersten
Bildrand liegende Frau, die sich
von dem riesigen, gleichfarbigen Himmel über ihr, der
vier Fünftel des Bildes füllt, kaum abhebt. Bei
längerer Betrachtung empfindet man Himmel und Figur so
sehr als eins, daß man sie nur als wortloses Einvernehmen,
als schicksalhafte Einheit verstehen kann. Die Darstellung
der Hingabe im geistigen und erotischen Sinne ist wohl selten
besser und bewegender und gleichzeitig auch kaum unheimlicher
gelungen.
Mit dem ,,Kirschenfresser" (1973) zeigt
Binder, daß er mit den Strukturen des Laubs und der
Beeren, der bukolischen Form des vom Baum umfangenen nackten
Kirschenpflückers und einer sehr zurückhaltenden
Farbgebung nicht nur formale Aufgaben lösen, sondern
eine Parabel von heiterem Witz malen kann.
Die Folge "Frau-Wasser-Insel'', drei großformatige
Bilder, ist von großer Bedeutung. Die Bilder demonstrieren
auch auf ungewöhnlich deutliche Weise Binders Denkvorgänge.
Das Grundthema und die Bildelemente sind auf allen drei Bildern
gleich, doch mit jedem weiteren Bild werden sie reduzierter
und gewinnen an mythischer Dimension. Der Aufbau der Komposition
besteht aus drei Horizontalen: im Vordergrund der Strand,
dann das Meer bis zur Bildmitte und darüber der Himmel.
Die Figur der Frau ist leicht rechts von der Bildmitte placiert
und bildet die Senkrechte. Der Rückenakt der Frau schreitet
durch die weiße Gischt der Brandung einer bergigen lnsel
entgegen, die in der Mitte des Horizontes sichtbar ist. Das
erste Bild der Folge hat eine dunstlose Atmosphäre und
ist fast statisch; die Frauenfigur ist plastisch aufgefaßt
und wirkt sehr isoliert. Das zweite Bild zeigt die Frau weicher,
im Begriff der Verschmelzung mit der Natur; die Szene wirkt
bewegter, doch die lnsel ist noch immer unerreichbar. Auf
dem dritten Bild geht der Mensch in das Meer ein, das ihn
leidenschaftlich umschäumt, nicht um ihm zu drohen, sondern
um ihn freudig aufzunehmen und zu erfrischen und ihm nach
der Durchquerung das Versprechen der lnsel einzulösen.
Es ist ein rauschhaftes Bild, der Duktus der Pinselhiebe ist
ekstatisch, es schäumt. Wasser und Atmosphäre, Körper
und Geist sind in einem traumhaften Wirbel der Farbe vereint,
Vergehen und Wiedergeburt in einem. Das Thema lnsel taucht in Binders Bildern häufig auf und stellt für ihn immer den Ort dar, wo der Mensch sich seIbst sucht und findet und unverfälscht sein kann. Die lnsel ist nicht als Symbol der Isolation oder des Jenseits zu verstehen. Binder verbrachte jedes Jahr glückliche Wochen auf einer kleinen griechischen Insel, die er in Aquarellen in zartesten Umrissen und lichtgetränkten Farben wieder und wieder darstellte. Immer sind diese kaum handtellergroßen Aquarelle Beschwörungen des Glücks, der Freude und der reinen Schönheit.
Dramatisch und von harter Vitalität sind
Bilder wie "Power" (1974). Wie Fäuste ballen
sich hier die Farben, bedrängen sich, prallen hart aufeinander.
Lila, weiß, blau-schwarz, grau, grün - mit gleichen
farblichen Stellenwerten, doch nicht in harmonischer Union.
Es ist ein aggressives Bild, das die Elemente der Explosion
und des erstickenden Volumens enthält. Die Gliederung
ist streng, wie auch in "Das himmlische Jerusalem"
(1974), das aber trotz seiner kompositionellen Strenge eine
weiche Heiterkeit ausströmt. Auch in "Klassische
klassenlose Gesellschaft" (1973) hat Binder ähnliche
kompositionelle Mittel angewandt.
Ein Bild, dessen Verwandschaft mit ,,Power" sich nur zögernd erschließt, ist "Bei Siena" (1976). Hier schwellt die Pinie ihre Krone mit einer brutalen Lebenskraft, die durch die hauchzarte Atmosphäre lyrisch gemildert wird, die die große Mauer hinter der Pinie zur Vision der menschlichen Anwesenheit in der Natur werden Iäßt. Es ist ein poetisches Bild. "Was bleibt aber, stiften die Dichter," sagte Hölderlin. "Le repos du guerrier" und ,,Schlaf und Traum des Malers" (beide 1976) gehören zusammen. Beide Bilder beinhalten traumhafte Visionen von Erlösung und Ausruhen. Die großen Köpfe sind von ihren Gesichten überlagert. In "Le repos du guerrier" erblickt der Kopf mit den geschlossenen Lidern sein Grabmal und einen Viadukt, der eine Straße steil in den Himmel und aus dem Bild trägt. In "Schlaf und Traum des Malers" liegt ein abfahrbereiter Dampfer vor Anker. Ein Ziel ist nicht bekannt. Das Lila in "Le repos du guerrier" ist bei Binder eine Farbe der Vision, wir sind ihm schon in "Power" begegnet. ,,Schlaf und Traum des Malers" lebt von einem südlichen Oliv, das Meer und Erde enthält. 1976 ist ein Jahr, das Binder enorme Anstrengungen abverlangt, und "Le repos du guerrier" und "Schlaf und Traum des Malers" sind bewegender Ausdruck seiner Sehnsucht nach Ausruhen. Die schöpferische Kraft des Künstlers ist auch seine Fessel und seine Geißel, die ihn erbarmungslos wieder und wieder bis an die physischen und psychischen Grenzen seines Ich's trieb und die Verleugnung der eigenen und anderer Ansprüche von ihm forderte.
In schneller Folge entstehen im Sommer 1976 neben den großen Ölbildern Dutzende von Aquarellen. In den Malpausen zeichnet Binder fieberhaft, im Herbst beginnt er eine Folge von Radierungen. Er suchte nach neuen Medien, verwendete völlig neue Materialien wie Stoff, Gips und sogar Ähren in einigen seiner Bilder. Das Meer ist wiederum eines der Hauptthemen, und er malte Bilder wie "Sommer", das eine monumentale Frau zeigt, die bis zur Brust aus dem Wasser auftaucht und von ihm umspült ist. Die Farben, oliv und blau mit etwas weiß, sind so reduziert wie die Gestalt, die gleich einem archaischen Standbild die ganze Urkraft der Schöpfung ausströmt.
Den Dualismus des Meeres und des menschlichen
Zustands vereinfacht Binder in "Coffin and cradle of
a swimmer" zu einer Gleichung des Grauens. Der kleine
Schwimmer, wie ein kindliches Strichmännlein gemalt,
schwimmt eifrig und ahnungslos über die Wasseroberfläche,
die unter und um ihn zu einem Eisblock erstarrt. Die Wiege
der Menschheit wird zu ihrem Sarg - "the iceman cometh",
der Tod, der sich in Form eines Kubus manifestiert. Das Bild
ist fast weiß; Weiß als Totenfarbe, die Symbole
Eis und Schnee = Tod sind uns allen vertraut, doch hier hat
sie Binder in erschütternder Weise mit neuen Elementen
kombiniert und uns das Gruseln neu gelehrt. Die Vieldeutigkeit
der Botschaft wird durch den distanzierenden englischen Titel
unterstrichen, ein Kunstgriff, den wir bei Binder's Titeln
immer wieder finden, die häufig in anderen Sprachen wie
Filter zwischen Aussage und Deutung geschaltet sind. Bei "Power"
allerdings dient der englische Titel der Präzisierung,
keinesfalls der Verschleierung, denn den vollen Gehalt dieses
Wortes kann man in Deutsch nicht wiedergeben. Heiter gibt
sich der "Schwimmer", ein Nachfahre des ,,Tauchers"
von 1970. Ohne Bedrohung genießt er das Erlebnis einer
hellblauen warmen See, die ihn sonnenbeschienen und zärtlich
aufnimmt. ,,Nausikaa" tritt aus ihrer Höhle. Auch
auf diesem Bild ist ein kleines Stück des Meeres zu sehen,
das ihre Insel umspült. Das Mädchen ist eine rührende
kleine Gestalt, die mit einer schönen Geste ihr Haar
ordnet. Kaum körperlich, steht sie in einer schwer definierbaren
Atmosphäre aus Licht und Luft. Nur der Höhleneingang
scheint Körper und Tiefe zu haben. Ist es doch so, als
verlöre man im Augenblick des Verlassens der Höhle,
der Geburt, an körperlicher Substanz und gewänne
eine Geistigkeit hinzu, die Erkenntnis und damit auch Verunsicherung
ermöglicht. Die Dimension der Zukunft trennt den Menschen
von der Natur und gewährt ihm nur noch wenige Momente
des reinen Seins.
,,Ebene mit Rauch und Schatten" wirkt
auf den ersten Blick wie eine heitere, kindliche Buntstiftzeichnung.
Der Himmel ist mit wenigen blauen Strichen angedeutet, die
Ebene eine Fläche mit unbestimmbarer Topographie. In
der Bildmitte am Horizont steht ein weißer Schornstein
oder Meiler, der eine schwarze Rauchwolke ausspeit, die sich
auf der Ebene als Schatten wiederholt; Rauch, der die Atmosphäre
verdüstert, den Sonnenschein ausfiltert, der einen üblen
schwefeliggelblichen Geruch hat wie der Smog von Los Angeles,
der Menschen tötet. Die Naivität, mit der die Menschen
ihrem Untergang begegnen, wie sie ihn unbefangen sehen und
ihn häufig sogar "hübsch" finden, ist
das Erschütternde dieses Bildes. Ein Gegenpol ist ,,lnsurrection".
Formal ist es der "Ebene mit Rauch und Schatten"
zuzuordnen. Auch hier die einfache Graffiti-Sprache, Gekrakel
an der Wand, Warnung und Aufruf. In den Farben der französischen
Revolution explodieren Farbfelder, erheben sich gegen ihre
Unterdrücker, wehren sich gegen ihre Auslöschung.
Die Menschheit erhebt sich und protestiert gegen ihr selbstgeschaffenes
Verderben. Hoffnung oder Untergang, festliches Feuerwerk oder
der große Knall der atomaren Vernichtung - die Antwort
bleibt offen.
"La fiancee du peintre" ist ein eigenartiges
Werk. Ein schmaler vertikaler Streifen in der Mitte des Bildes
trägt die Darstellung einer Büste, deren Sockel
verwischt ist und deren Haupt eine fast unsichtbare Krone
trägt. Dieses Haupt auf einem starken Hals ist keine
liebliche Braut; herausfordernd blickt sie den Maler an, ihre
ephemere Krone könnte auch eine Narrenmütze sein.
Der gemalte Streifen ist links und rechts von unbemalten weißen
Stoffbespannungen flankiert. Die Erscheinung hat einen antiken
Charakter, im Gegensatz zu ihrer Umgebung wirkt sie plastisch,
fest, sicher, während ihr Umfeld in nervösen Pinselhieben
gemalt noch eine Gestalt zu suchen scheint. Um sie der leere
Malgrund - Versprechen oder Versagung -, der wie ein Bühnenvorhang
die Vision entweder ganz enthüllen oder plötzlich
verdecken könnte. Die Muse des Künstlers, die Braut
des Malers, ist eine grausame Geliebte, der er nicht entkommen
kann. Wenn sie sich enthüllt, zeigt sie sich nur fragmentarisch.
Es bleibt sein Werk, ihr eine Welt zu schaffen, in der sie
zur atmenden Gestalt werden kann. Sie ist das, was die Menschen
geschaffen und bewahrt und auch das, was sie vergessen haben.
Michael Binder sagte einmal über sich
selbst: ,,Ich beschäftige mich hauptsächlich mit
Landschaft und Figur. Beide Themen sind für mich Möglichkeiten,
Zugang zu mir und anderen Menschen zu finden. Wenn es mir
gelingt, Landschaft als dem Menschen analoge, psychische Struktur
darzustellen, dann gelingt es mir, ein primär wortloses
Einverständnis bildhaft darzustellen, das Einverständnis
zwischen mir und dem Bild und darüber hinaus zwischen
mir und dem Betrachter. Der Abgrund, der zwischen Mensch und
Natur klafft, wird in meiner Malerei bestritten. Ich postuliere
den Menschen mit den Dimensionen einer Landschaft. - Eine
Landschaft ist nicht neurotisch." Doch der Abgrund, der
zwischen Mensch und Natur klafft, wird nicht nur bestritten,
sondern von Michael Binder leidenschaftlich beklagt. In seinen
Radierungen "Endstation" und ,,Krieg und Frieden",
die vom entmenschlichten und entwürdigten Tod handeln,
drückt er apokalyptische Vorstellungen aus: der Tod als
Pflug; die Schöpferkraft des Menschen - die das Chaos
ordnende Kunst - vielfach gemordet und vom Dunkel bedroht;
die Endstation des Menschen in der Intensivstation unserer
Krankenhäuser, wo er nur noch als Steckkontakt quälender
Apparaturen benutzt und als Objekt ohne Würde und in
grausamer Einsamkeit seiner Destination entfremdet wird.
Michael Binder war ein Künstler, der seine Bestimmung darin sah, den Menschen als Teil der Natur zu zeigen, ihn so der Entfremdung von seiner Eigenart zu entreißen und die Begegnung mit der Essenz des Menschseins zu veranlassen. Als Maler hat er eine Formen- und Farbensprache gefunden, die in der Entwicklung seines Werks immer mehr an universeller Verständlichkeit und Originalität zugenommen hat. Seine Sensibilität hat ihn nicht in eine selbsterwählte ästhetische Isolation getrieben, sondern ihn ganz im Gegenteil zu einer leidenschaftlichen Teilnahme an der ,,conditio" des Menschen und seiner Welt geführt. Daß er uns nicht nur den Spiegel unserer Leiden und Schrecken vorhielt, sondern uns auch unsere Schönheit und unsere Möglichkeiten zeigte, ist sein Geschenk an uns.
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